Mit dem Kauf der Roßleder-Gerberei Bernhard Königs im Jahre 1855 hatte der junge Zacharias Spier einen guten Griff getan. Der Betrieb lag an der Kreuzung der Beckrather und der Wickrathberger Straße. Hinter dem Wohnhaus war der Hofraum mit den Gruben. Die mitten durch das Werksgelände fließende Niers lieferte gutes Wasser, eine wichtige Voraussetzung für die Lederproduktion. 1864 folgte der Eintrag ins Handelsregister. Dank guter Auslandsbeziehungen, zum Beispiel in die USA und dem Einsatz damals modernster Technik war das Unternehmen in der Lage, sich stetig zu vergrößern und bald zu einer der größten Lederfabriken Deutschlands zu avancieren. Im Rahmen weiterer Expansion wurde das Unternehmen zum 14. Februar 1889 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die Firma lautete Niederrheinische AG für Lederfabrikation (vormals Z. Spier).
Eine Taxation durch eine anerkannte Maschinenfabrik stellt in Bezug auf den Maschinenpark fest: „Der ganze Betrieb der Fabrik ist in einem mustergültigen Zustand mit dem neuesten, besten System von Arbeitsmaschinen der Lederfabrikation eingerichtet.“
Um das Wichtigste herauszugreifen: zwei Dampfmaschinen, zwei Spaltmaschinen, eine komplette Lohmühle, ferner neben Walkfässern und Rollmaschinen, eine Glanzstoßmaschine, ein Lederwalzwerk, zwei Lederschleifmaschinen und eine Patentmessmaschine. Dieser Maschinenpark stellte das Modernste an Technik dar, was man zu jener Zeit kannte.
1989 stellte die Gerbstoffbeschaffung ein Problem dar, die deutsche Eichenschälwälder konnten den Bedarf an Lohe nicht mehr voll decken. In Wickrath arbeitete man zu dieser Zeit vorwiegend mit Eichenrinde, weil die Eichen gegerbten Ledererzeugnisse alle anderen Produkte an Qualität übertrafen.
Jetzt war man gezwungen ausländische Gerbstoffe zu verwenden, was die Produktion deutlich verteuerte. Quelle.: „Hundert Jahre Wickrather Leder“
Die Wirtschaftskrise ab 1929 überstand das Unternehmen trotz erheblicher Verluste. Die Erben Spiers besaßen die Aktienmehrheit und stellten mit Louis Spier und Victor Spier den Vorstand. 1932 beschrieb das Handbuch der Deutschen Aktiengesellschaften die Produktion des Unternehmens wie folgt: „Diese erstreckt sich auf sämtliche feineren Rindledersorten für Schuh-, Portefeuille-, Koffer-, Taschen- und Möbelzwecke, für Wagenbauer und Sattler sowie Spalten aller Art.“ “
Die Familie Spier galt nach den Nürnberger Gesetzen als jüdisch und sollte aus dem Unternehmen gedrängt werden. Die Folge, 1936 wurde das Unternehmen arisiert und die Familie Spier emigrierte. 1939 erfolgte die Umbenennung in Wickrather Lederfabrik AG.
1948 kehrte die Familie Spier zurück, doch das geschwächte Unternehmen konnte sich nicht wieder erholen. Auch die um fünf Jahre vorgezogene Hundertjahrfeier konnte an dieser Situation nichts ändern. 1990 meldete die Wickrather Lederfabrik AG Konkurs an. (Quelle: Wikipedia)
Das mehrgeschossige Hauptgebäude an der Ecke Beckrather und Wickrathberger Straße wurde grundlegend umgebaut. Die historische Steinfassade wurde entfernt und durch einen weißen Reibeputz ersetzt. Nur der Firmen-Schriftzug am Verwaltungsgebäude, mit dem nach 1945 wieder aufgenommenen Zusatz „vormals Z. Spier ist erhalten. Da das Spier-Gebäude einschließlich der Hausfront unter Denkmalschutz steht, sah sich die Verwalterfirma gezwungen adäquate Platten zu besorgen. Die Platten sind nicht bei der Erstellung des Komplexes angebracht worden, sondern 20-25 Jahre später.
Der betreuende Architekt der Renovierung hat vergeblich versucht solche Platten zu finden. Bei der Rekonstruierung fand man tatsächlich heraus, dass die Platten in Israel hergestellt worden waren. Daher ging die Denkmalschutzbehörde den Kompromiss ein, die Front energetisch zu renovieren.
Heute sind im Hauptgebäude Wohnungen und in der Parterre u.a. eine Apotheke und Arztpraxen untergebracht. Der Rewe-Markt steht ebenfalls auf dem ehemaligen Firmengelände, außerdem gibt es noch ein großes Parkplatzangebot.
Auch das Kessel- und Maschinenhaus, „Wickrather Brauhaus“, blieb erhalten. Heute noch wird von dort aus der Gewerbeteil (Erdgeschoss) und Teile der ersten Etage beheizt. Das Gebäude links daneben beherbergte den Fuhrpark.
Die große Werkhalle beherbergt heute das KUNSTWERK mit der Live-Bühne „Rotes Krokodil“. Die ehemalige Speicherhalle ist 60 Meter lang und 14 Meter hoch. Auf 2500 Quadratmetern mit einer Kapazität bis zu 2200 Personen gehört die Halle zu den größten Veranstaltungsorten am Niederrhein. Auch „Theater an der Niers“ genannt.
Historische Bilder aus: 100 Jahre WICKRATHER LEDER