Kruutwöösch
so nennt man in unserer Region einen gebundener Kräuterstrauch, der zu Maria Himmelfahrt, am 15. August, in jedem Jahr geweiht wird. Im Süden Deutschlands kennt man ihn als Kräuterbuschen. Je nach Landschaft binden die Kräutersammler einen Strauß mit sieben oder neun Heilkräutern. Es sind unter anderen Tausendgüldenkraut, Wermut, Salbei, Schafgabe, Holunder, Kamille und Pfefferminze. Das sind die bekanntesten aus der Fülle der Heilkräuter.
Sie wurden früher beim Hochamt (Hommes) während der Messe gesegnet. Heute wird das Kräuterbündel in einem normalen Gottesdienst geweiht, da das Hochamt, eine Messe mit drei Herren, aus Ermangelung an Priestern, nur noch in Bischofskirchen gefeiert wird.
Der Brauch der Kräuterweihe ist sehr alt und hat vermutlich seinen Ursprung im heidnischen Brauch des Schutzkräutersammelns. Der gesegnete Strauch sollte vor Krankheiten und dem Unbill der Natur schützen. Der Kräuterbusch selbst wurde zuhause getrocknet und im Herrgottswinkel oder neben dem Kreuz aufbewahrt. Um das Vieh zu schützen wurde von den Bauern auch in den Ställen ein Schutzbündel angebracht.
„Goldene Bauern-Regeln“: Um Maria Himmelfahrt, das wisse, gibt`s die ersten Nüsse.
An Krautweihe kommt das Salz in die Äpfel.
Heute kann man sich gegen alle möglichen Schäden versichern. Das ist wohl ein wesentlicher Grund, weshalb die Kräuterweihe an den Rand gedrängt wurde und immer mehr aus dem Bewusstsein der Menschen entschwindet.
In manchen Gegenden schnitt man die Kräuter am Donnerstag vor Maria Himmelfahrt. Das war ein vorchristlicher Brauch: Man nutzte den heiligen Tag des germanischen Wettergottes Donar. Auch wenn der christliche Glaube schon weit verbreitet war, fürchteten sich die Menschen immer noch vor dem Blitze schleudernden germanischen Wettergott.
Auch die Magie der Zahlen hat sich beim Büschel binden erhalten.
Im Brauch des Büschel-Bindens finden sich viele Rituale aus heidnischer Zeit, hier spielte die Zahl 3 eine herausragende Rolle. Es sollten 9er, 12er oder gar 33er Sträuße sein, um die Wirksamkeit der Kräuter zu erhöhen. Die Neun war vor allem im keltischen und germanischen Raum als Zauberzahl bekannt. Die „Heilige Zahl Drei“ steckt in allen Wirksträußen und hat in der katholischen Kirche von je her eine besondere Bedeutung.
Maria übernahm also bei dem überkommenen Erntedankfest die Rolle der vorchristlichen Göttinnen, denen die Heilkräuter früher geweiht waren. Nun bekam die Weihe ihre Kraft durch die Muttergottes. Vor allem die Frauen verehrten Maria, vertrauten sich ihr an, und suchten bei ihr Schutz vor der streng Männer orientierten Gesellschaftsordnung des Mittelalters.
Die Kräuterweihe gehört zu den volkstümlichen Bräuchen der römisch-katholischen Kirche. Dieser Brauch ist schon seit dem 9. Jahrhundert bekannt. Heute versucht man den Christen die Kräutersegnung wieder nahe zu bringen; da ist Zeit und Geduld gefragt.
Die Kräuterweihe zählt zu den Sakramenten.
In den Heilkräutern wird die Schöpfung Gottes besonders sichtbar – diese Meinung drücken die Gläubigen durch die Segnung der Kräuter aus. In der Natur findet sich fast gegen jedes Leiden ein heilendes Kraut.
Die Wirkung von solchen Ritualen ist nicht zu unterschätzen; sie sind ein großer Bestandteil in der Heilkunde. Heute nennt man es nicht mehr Magie, sondern man spricht eher von einer „Suggestivwirkung“ oder man glaubt es.
Aus medizinischer Sicht wurde bisher erst ein Bruchteil der Pflanzen, die weltweit wachsen, auf ihre Wirkung untersucht. Das Wissen unserer Vorfahren über die Kräuterheilkunde, vor allem das der Naturvölker hat wesentlichen Anteil an der Entwicklung in der Medizin. Heute werden durch wissenschaftliche Methoden und Analysen immer wirkungsvollere Medikamente entwickelt. Aber das tut dem Erfolg der überkommenen Heilmethoden keinen Abbruch. Es zeigt vielmehr, dass noch viele Möglichkeiten in der Pflanzenheilkunde auf eine Entdeckung warten.
Während der Kriegsjahre hatte das Kräutersammeln einen anderen Grund. Ganze Schulklassen wurden im Sommer auf Felder und Wiesen geschickt, um Kräuter zu sammeln. Das Motto: „Tee für Heer und Heimat!“
Anmerkung: In meiner Kindheit, während des Zweiten Weltkrieges lebte ich auf dem Bauernhof meiner Großmutter. Wenn es blitzte und donnerte stand sie auf und betete kniend vor ihrem Bett. Andererseits hieß es aber auch, den Schläfer lass schlafen! Keinesfalls sollte man bei Gewitter essen, man lief Gefahr zur Strafe vom Blitz getroffen zu werden. Es gab noch weitere Verhaltensregeln, die ich aber vergessen habe.
Text und Fotos: Werner Marx