
Dörfliches Handwerk und Gewerbe vor rund 100 Jahren

Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hatten die Zünfte eine Macht, die man sich heute nicht mehr vorstellen kann. Die Zünfte waren Interessen-Vertretungen der Handwerker und regelten nicht nur, wer als Handwerker arbeiten durfte, sondern auch die Ausbildung der Gesellen.
Eine der Regelungen besagte, dass junge Handwerker für einige Jahre auf Wanderschaft gehen mussten. Zünftige Gesellen sind ständig unterwegs und haben kein festes Zuhause. Sie wissen nicht, was der nächste Tag bring. Wer sich aber für die Walz entscheidet, begibt sich auf ein Abenteuer, lernt neue Orte und Menschen kennen. Er bekommt ein Prägung für sein weiteres Leben.
Dieser Brauch ist wohl das einzige, was sich aus dieser Zeit erhalten hat. Im Wanderlied heißt es:
„Was noch frisch jung an Jahren, das geht jetzt auf Wanderschaft …“
Moderne Nachfolger der Zünfte sind die Handwerker-Innungen. In den verschiedenen deutschen Gebieten wurden durch die Einführung der Gewerbefreiheit im Laufe des 19. Jahrhunderts die Zünfte abgeschafft.
Die dörflichen Handwerker wie Wagner, Schmied, Fassbinder, Sattler und Schuster produzierten bzw. reparierten alle notwendigen Fahrzeuge, Holzgefäße, Pferdegeschirre, Schuhe usw. Die Bauern waren auf die Handwerker angewiesen und umgekehrt. Zum Beispiel konnte ein Wagner ohne die Eisenteile aus der Werkstatt des Schmiedes keinen Wagen herstellen.
Der Nachtwächter
Die Aufgabe des Nachtwächters war es, nachts durch die Straßen und Gassen der Stadt zu gehen und für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Er warnte die schlafenden Bürger vor Feuern, Feinden und Dieben. Er überwachte das ordnungsgemäße Verschließen der Haustüren und Stadttore. Häufig gehörte es auch zu den Aufgaben des Nachtwächters, die Stunden anzusagen – Diese Ansage konnte auch in der Form eines Nachtwächterliedes geschehen.
"Hört, ihr Leut' und lasst euch sagen, unsre Glock' hat 12 geschlagen." Mit diesem vertrauten Spruch rief der Nachtwächter früher durch die engen Gassen und Straßen eines Dorfes oder einer Stadt laufend, zur vollen Stunde, die Uhrzeit aus.
Ein Nachtwächter hatte das Recht, verdächtige Personen, die nachts unterwegs waren, anzuhalten, zu befragen, sie notfalls festzunehmen und in ‚Eisen' zur Polizeiwache zu bringen.

Der Holzschuhmacher
Die Holzschuhmacherei war vermutlich ab dem Ende des 15. und der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein weit verbreitetes Handwerk. Noch bis in die Mitte der 1950er Jahre waren Holzschuhe die alltägliche Fußbekleidung für einen Großteil der ländlichen Bevölkerung in Westfalen und im Münsterland.
Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Holzschuhmacherei zum eigenständigen Handwerk mit Lehrlingsausbildung und Meisterprüfung.
Begünstigt durch die Rohstoffverknappung während des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegsjahre bis in die Mitte der 1950er Jahre, erlebte der Beruf des Holzschuhmachers zwischen 1939 und 1955 eine Blütezeit.
Die Herstellung von Holzschuhen war eine mühselige Handarbeit. Ein „Klompenmaeker“ schaffte etwa vier bis fünf Holzschuhe an einem Arbeitstag. Die Holzschuhmacher waren in der Regel arme Leute und machten diese Fußbekleidung für arme und in der Landwirtschaft arbeitende Menschen.
In Deutschland, vor allem in den Niederlanden sind Holzschuhe – so genannte Klompen – eine langjährige Tradition. Noch heute gibt es Unternehmen, die Klompen herstellen. Damals wie auch heute liefert die Pappel das Holz für dieses traditionelle Schuhwerk. Das leichte, weiche Holz macht die Pantoffeln gemütlich zu tragen.
„Die Pappel wurde früher Aussteuer-Baum genannt, weil der Waldbesitzer von Pappeln, die er selbst gepflanzt hat, die Aussteuer für seine Töchter bezahlen konnte. Denn die Bäume waren nach längstens vierzig Jahren reif zum Fällen und brachten noch zu Lebzeiten des Besitzers einen Ertrag.

Der Milchmann
Die Milchhändler lieferten, vereinfacht gesagt, die Milch von der Kuh zum Kunden. Dazu wird die Milch nach dem Melken in Krüge, Kannen oder andere Behälter abgefüllt und so wie hier abgebildet mit Pferd und Wagen verkauft. Als später die Molkereien entstanden, erhielt der Milchmann dort seine Milch für seinen Verkauf. In dem Dorf Schiefbahn, meinem Heimatort, war das direkt nach dem Zweiten Weltkrieg der Milchhändler Jakob Beckers. Er machte mit einer Handschelle auf seinen Straßenverkauf aufmerksam.
An heißen Sommertagen konnte es vorkommen, dass die Milch unterwegs sauer wurde. Dann war der Verkauf sofort beendet und die letzten Kunden gingen an diesem Tag leer aus. Im Winter fuhr der Milchmann bei Wind und Wetter seine Runden, um auch dann den Haushalten die Frischmilch zu liefern.

Der Sattler
Der Sattler war im Mittelalter ein wichtiger Handwerker, der Lederwaren wie Sättel, Zaumzeug und Riemen für Pferde anfertigte. „Das Sattelzeug war – wie es der Name sagt – die ursprüngliche Domäne, die dem handwerklichen Können des Sattlers zugewiesen war.
Neben der Ausrüstung von Pferden fertigten Sattler häufig auch Taschen, Gürtel und andere Lederwaren für Menschen. In einer Sattlerei kamen Nähzeug, Locheisen oder Schneidewerkzeuge täglich zum Einsatz. Die Handwerker mussten verschiedene Näharten beherrschen, um das jeweilige Leder präzise zu bearbeiten.
Die verschiedenen Stich- und Näharten, das Zurichten, Einstemmen, Abebnen, Aufputzen, Kädern und Rundnähen wird mit vielen Werkzeugen, wie Ahle, Messer, Stichel, Zange und weiteren Geräten, wie auf dem Bild zu sehen, ausgeführt.
Fotos: Museumsdorf - Sattlerei im Weinviertler Museumsdorf Niedersulz
HaSt, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Fotos Wikipedia Felix Maschek, Hamburg, Paebi
Der Schäfer
Schafe werden in Herden gehalten, die ein Hirte mit der Hilfe von Hütehunden bewacht. Früher war es möglich dass der Schäfer seine Herde nomadisierend durch offenes, allgemein zugängliches Land führte (Wanderschäfer). Die letzte große Schafherde habe ich vor etwa zehn/fünfzehn Jahren in Höhe des Saarhofes in Wickrath gesehen. Es waren hunderte von Schafen, ein herrlicher Anblick. Allerdings waren zwei Schäfer im Einsatz, einer war mit einem Jeep unterwegs. Es muss ein ausgeklügelter Plan vorgelegen haben, um für die Tiere Weidegründe zu finden.
Die gewerbliche Schäferei heute umfasst die Behütung, Zucht und Verwertung von Schafen. Der Ausbildungsberuf des Schäfers (veraltet: Schafhirt) hat die amtliche Bezeichnung Tierwirt, Fachrichtung Schäferei. Die Ausbildung umfasst drei Jahre mit einer Abschlussprüfung. Es besteht anschließend die Möglichkeit zur Ablegung der Meisterprüfung.

Auch diese Szene, aufgenommen vor dem Abriss des Dorfes Lützerath im Jahre 2022, sieht einen Schäfer auf freier Weidefläche am Grubenrand des Rheinischen Braunkohlenreviers. Das erinnert daran, dass nicht nur traditionelle Handwerke, sondern auch weite Acker- und Weideflächen verloren gehen. Fotos Werner Marx
Der Schmied
Auch heute ist eine Ausbildung in diesem Handwerk möglich. Früher war die Berufsbezeichnung Kunstschmied. Heute heißt der Ausbildungsberuf Metallbauer.
Der Schmied ist ein seit der Bronzezeit ein praktiziertes Handwerk. Den Schmieden haftet seit dem Altertum etwas Magisches und Mystisches an.
Schmiede wurden vor allem als Waffenschmied, Werkzeug- und Gerätehersteller geschätzt und gesucht. Im ländlichen Raum war der Schmied noch im späten 20. Jahrhundert ein unverzichtbarer Handwerker mit breitem Spektrum, zum Beispiel als Beschlagschmied für Wagen und Ackergeräte, als Hufschmied, Schlosser und Werkzeughersteller.

Josef Krings besaß die Schmiede Kleiner Driesch 5, 1946 wurde sie von Fritz Jansen übernommen. Heute ist der größte Teil der Schmiede im Gymnasium Rheindahlen untergebracht.

Der Schuster
Vor der Industrialisierung wurden alle Schuhe manuell gefertigt. Mit Einführung der maschinellen Schuhproduktion ab etwa 1870 ging das Handwerk stark zurück und viele Beschäftigte mussten sich einen neuen Arbeitsplatz suchen. Die in den Schuhfabriken mit der Schuhherstellung beschäftigten Schuhmachergesellen wurden in Abgrenzung zu ihren in Handwerksbetrieben tätigen Kollegen „Fabrikschuster“ genannt. Heute ist die Herstellung handgearbeiteter Schuhe äußert selten, da sie sehr zeitaufwendig ist. Ein Schuhmachermeister braucht 30 bis 40 Stunden, um einen handgefertigten Schuh herzustellen. Handwerker die Schuhe in Handarbeit herstellen, setzen sich häufig mit der Bezeichnung „Maßschuhmacher“ von den in Reparaturbetrieben tätigen Berufskollegen ab. Ebenfalls in Handarbeit hergestellt werden Schuhe von Orthopädie-Schuhmachern. In Theatern und Opernhäuser gibt es die „Ballettschuhmacher“.
Die meisten Schuhmacher (Meister, Gesellen und Auszubildende) arbeiten heutzutage in Reparaturbetrieben. Dort hat die Materialvielfalt stark zugenommen. Früher dominierten Leder und Gummi, heute die verschiedenen Arten von Kunststoffen.

Der Wagner
Sie bauten Wagen, Räder, Pflüge und andere landwirtschaftliche Gerätschaften. Heute ist der Wagner ein fast ausgestorbener Beruf. Deshalb sind wir besonders stolz, dieses Handwerk durch die Restaurierung von Pferdekutschen, historischen Fahrzeugen und Schlitten weiterleben zu lassen.

Das Rad ist eine revolutionäre Erfindung der Menschheit. Es stammt ursprünglich aus Mesopotamien und wurde dort vor etwa 5000 Jahren schon genutzt. Die Verwendung des Rades und damit zusammenhängend hat sich der Wagenbau entwickelt und vervollständigt.
Holz ist sein wichtiges Material und war bei vielen Stellmachern. Von der Beschaffenheit des Holzes hing die Qualität einer Arbeit in erster Linie ab. Jedes Arbeitsstück musste einer besonderen starken Beanspruchung genügen. Die Auswahl des Holzes war wesentlich.
Vorherrschend ist hartes Laubholz für Rad und Gestell, daneben etwas weicheres Holz für den Wagenkasten. Felgen machte man aus Rotbuche, Speichen aus Esche oder Eiche. Für die Nabe des Rades kam Ulme, Eiche und Esche in Frage.
Der Holzhandel hatte für den Beruf eine besondere Klasse unter dem Sammelnamen “Wagnerholz”. Astrein und zäh sind dessen wesentliche Merkmale.
Die Bezeichnung des Berufs ist regional unterschiedlich, wobei Stellmacher eher im Norden verwendet wird, im Süden dagegen Wagner. Auch in den Mundarten finden sich die Namen, wie Rad(e)macher (niederdeutsch: Radmaker), Achsenmacher oder Axmacher. Dabei handelte es sich ursprünglich um unterschiedliche Berufe: der Stellmacher oder Wagner fertigt das Gestell des Wagens, der Radmacher die Räder. Heute sind alle in einer Berufsbezeichnungen zusammengefasst.
Mit der Einführung Luftbereifung verlor die Stellmacherei nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Bedeutung.
Die heute fast vergessenen Berufe versetzen uns in eine Vergangenheit, die uns immer mehr entgleitet. Es gibt nicht mehr viele Menschen, die diese Berufe noch selbst erlebt, gesehen haben. Jeder dieser Berufe erzählt seine eigene Geschichte von handwerklichem Geschick und lang gehegter Tradition. Die Arbeitswelt hat sich Laufe der Jahre radikal verändert und hat diese Berufe durch die Industrialisierung und Modernisierung nach und nach abgelöst, so dass sie weitgehend in Vergessenheit geraten sind.
Textquelle: Wikipedia / Berufe-dieser-Welt
Wickrath im Februar 2025, mit herzlichem Dank für die Unterstützung der Geschichtsfreunde Rheindahlen
Werner Marx