Die Geschichte von Schiefbahn ...
... und glückliche Kinderjahre auf dem Bauernhof
Die erste Niederlassung des heutigen Schiefbahn, war das östliche gelegene Unterbruch, im Plattdeutschen „Ungerbroik“. Die Honschaft wurde im Jahre 1300 in einem Abgabenverzeichnis des Vogtes von Neersen urkundlich genannt.
Schiefbahn verdankt seine Entwicklung durch seine günstigen Lage an der Straße, die schon in vorchristlicher Zeit Rhein und Maas verband. Diese verlief auf dem Uferstreifen eines alten Rheinarmes, der sich von Kaarst bis Oedt erstreckte.
Was man heute nicht glauben mag, die Schiefbahner waren im wahrsten Sinne des Wortes „Rheinländer“. Spuren der alten versandeten Landstraße, der Langhecke, sind noch sichtbar.
Nach dem zweiten Weltkrieg, an Christi Himmelfahrt fühlten man sich zurückversetzt in eine vergangene Zeit, da man zu Fuß auf dem breiten, sandigen Feldweg vorbei am Klapdorhof zur Kirmes nach „Klein Jerusalem“ pilgerte. Zuerst passierte man den Schwarzenpfuhl am Ortseingang von Neersen (heute restauriert) und erreicht dann die Kapelle in einer gepflegten Anlage.
„Schwarzenpfuhl“ Stadtarchiv Willich „Klein Jerusalem“ Foto W. Marx
Schiefbahn – um 1430 tauchte erstmals der Flurname „Schyffbaen“ auf, aus dem sich der heutige Name Schiefbahn herausbildete und der um 1500 den Ortsnamen Unterbruch ersetzte. Lange wurde gerätselt, wie es zum Ortsnamen Schiefbahn, sicher auch als Hintergedanken - man wäre auf die schiefe Bahn geraten. Schiefbahn wurde schließlich so gedeutet, dass aus dem Begriff „Scheibenbahn“, im plattdeutschen Schief-Bahn (ein Schießstand mit einer Zielscheibe) die Namensgebung war. Bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges waren noch Reste dieses Schießstandes vorhanden.
Um 1458 wird eine dem heiligen Hubertus geweihte Kapelle erstmals urkundlich erwähnt. Hundert Jahre später wurde aus der Kapellengemeinde eine selbständige Pfarre. In den Jahren 1853 bis 1885 wurde die heutige Pfarrkirche St. Hubertus gebaut.
Als die älteste Niederlassung ist der Schiefbahner Hof zu betrachten. Er lag auf der Schwanenheide. Während der Schrecknisse des Dreißigjährigen Krieges wurde er zerstört. Von diesem Herrenhofe aus erwuchs in östlicher Richtung allmählich das Dorf.
Der Gasthof Schwan hat wahrscheinlich eine Beziehung zu der oben genannten Schwanen-Heide. Das Fachwerkhaus „Alte Pastorat“ vermittel, wenn man es sich Stroh gedeckt vorstellt, den Eindruck, wie die Häuser in alter Zeit ausgesehen haben. Fotos Werner Marx
Doch zeigte das Dorf damals ein ganz anderes Gesicht als heutzutage. Ringsum war es mit Wallgräben, Hecken und Mauern umgeben. Drei feste überbaute Tore bildeten den Zugang zum Dorf.
Alle Häuser des Dorfes waren in Fachwerk erbaut, hatten Strohdächer und kleine Fenster. Viele von ihnen wurden im Laufe der Zeit durch Feuersbrünste zerstört und wurden nach und nach durch Backsteinhäuser abgelöst.
Die Abbildung des Növertor gibt einen sichtbaren Eindruck, wie der Ortskern von Schiefbahn einmal ausgesehen hat. Stadtarchiv Willich
Südlich vom Dorfe breitete sich eine große, morastige Torf- und Moorfläche aus. Nach der Grenze zu war sie von Baumhecken, Gräben und Dornengestrüpp abgesperrt. Den Zugang schloss man durch Schlagbäume oder Tore ab, worauf die heute noch gebräuchlichen Namen „Klapdor“ in der Niederheide und „Dörkes“ an der Unterbroicher Heide hinweisen.
Der Klapdorhof befindet sich unmittelbar an der Landstrasse 361 zwischen Schiefbahn und Neersen, nördlich des aus einer Honschaft entstandenen Ortsteils Niederheide.
Bei der Hofanlage handelt es sich um eine vierflügelige Anlage aus Backstein. In der süd-/südöstlichen Ecke des Hofgevierts, welches mehrheitlich aus den großen, äußerlich eingeschossigen Wirtschaftsgebäuden mit ihren nach außen geschlossenen Wand- und Dachflächen gebildet wird, befindet sich das zweigeschossige Wohnhaus. Fotos und Text, limburg-bernd.de
1794 wurde das linke Rheinufer von französischen Revolutionstruppen besetzt. Unter diesen wurde 1800 der Dingstuhl Schiefbahn mit einem inzwischen zu Oedt gehörenden Teil der Honschaft Unterbruch zur „Mairie Schiefbahn“ zusammengefasst und wurde Teil des Kanton Neersen. Unter Napoleon wure 1809 der Bau des Nordkanals begonnen und zwei Jahre später abgebrochen. 1815/16 kam Schiefbahn zum Königreich Preußen. Das fertig Teilstück des Nordkanals wurde unter preußischer Verwaltung von Neuss über Schiefbahn schiffbar gemacht und bis 1850 genutzt.
Seit zwei Jahrhunderten ist der Nordkanal in Kaarst ein sichtbares Relikt der französischen Herrschaft. Ausschnitt aus einer 1919 gelaufenen Ansichtskarte. (Bestand: F 01 - Fotosammlung Kreisarchiv Neuss 04-01-064)
Neben der bis 1900 im größeren Umfang ausgeführten Landwirtschaft, bekamen Handel, Handwerk und Gewerbe eine größere Bedeutung. Vorübergehend hatte auch die Gänsezucht einen größeren Umfang, wozu sich die weiten Bruchwiesen gut eigneten. Auch das Torfstechen wurde durch die „schwarzen Männer“ im großen Stil betrieben, eine Knochenarbeit.
Skulptur des Gänsehirt vor dem früheren Capitol-Kino Foto W.Marx | |
Die Schiefbahner Dorfbewohner wurden wegen der Gänse und vor allem wegen des Torfstechens gehänselt. So wurde das Schiefbahner Glockengeläut mit „Komm Gent, gangk Gas“ (Komm Gänserich, geh´ Gans!) verglichen oder man schimpfte die Schiefbahner als Torfmöpse. Dafür waren die Nersener „Langhälse“ und die Willicher „Heilaepp“. Nordkanal, alter Torfkahn Foto Wikipedia |
Im 19. Jahrhundert wuchs die Textilindustrie. 1855 gab es 287 Hauswebstühle für Seide, 228 für Samt. 1989 nahm die Seidenweberei Deuß & Oetker in Schiefbahn ihren Betrieb auf. Der 16.000 Quadratmeter große Websaal war damals der größte im Deutschen Reich. Bis 1917 stieg die Zahl der Bewohner auf über 4000. Zu dieser Zeit gab es bereits zwei Straßenbahnlinien.
1877 wurde der Schiefbahner Bahnhof am Nordkanal fertiggestellt und die Bahnstrecke Neuss – Schiefbahn eröffnet, die 1878 bis Viersen verlängert wurde. 1883 wurde der Bahnhof Niederheide an der Strecke Krefeld – Willich – Rheydt gebaut. Die Strecken wurden 1955 stillgelegt. (Geschichtliche Daten - Wikipedia)
Der Schiefbahner Nordbahnhof - heute leider zugebaut, lag weit außerhalb des Dorfes. Die Dorfbewohner hatten einen langen Fußweg, ihren Zug pünktlich zu erreichen. Das Stellwerk Niederheide um 1955, wahrscheinlich einer der letzten Züge auf der Strecke.
Nordbahnhof Archiv Stadt Willich Foto rechts unbenannt, Archiv Heimat- und Geschichtsfreunde Schiefbahn
Auf dem Büttgerwald,
„Om Wall“, in Plattdeutsch - der erhaltene Wald wird „Eschert“ genannt.
In gleicher Weise wie die Schiefbahner das Bruch ausbeuteten, verstanden sie es auch, den anschließenden Büttger Wald, an den heute nur noch schmale Baumstreifen den Trietbach entlang, als letzte Überbleibsel erinnern, auszunutzen. Der Wald gab ihnen Laub, Streu und Holz. Eicheln und Bucheckern boten ihren Schweinen, die frei im Wald umherliefen zusagende Nahrung. Daher wurde neben Pferde-, Rinder- und Gänsezucht auch Schweinezucht in großem Maße betrieben. In der Nähe des Gemeindeweges, der nach Korschenbroich führt, bezeichnet man heute noch eine Stelle als den sogenannten Ferkessiel oder Sielhütte (Siegel), wo den Schweinen ihre Erkennungszeichen aufgebrannt wurden.
Passus aus dem Buch „Unsere Heimat“ aus dem Jahr 1926.
Elektrizität kam erst Anfang der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts vom RWE aus Neuss. Auch gab es damals keine allgemeine Wasserversorgung, dafür war jeder für sich selbst zuständig und musste seinen eigenen Tiefenbrunnen bauen.
Auch gab es damals keine allgemeine Wasserversorgung, dafür war jeder für sich selbst zuständig und musste seinen eigenen Tiefenbrunnen bauen. Über dem großen Waschbecken in der Küche hing bei uns der Pumpenschwengel, den wir Kinder nicht bedienen konnten. Das Steinbecken darunter wurde zum Spülen, aber auch zum Händewaschen genutzt. Die Pumpe war die einzige Wasserversorgung des Hofes. Samstags war Badetag, der Einkochkessel wurde mit Wasser gefüllt und auf dem Kohleherd erhitzt. Dann kamen wir Kinder der Reihe nach in die Bütt (Zinkwanne) und wurden abgeschrubbt. Für die tägliche Hygiene gab es den Waschlappen Wenn man damals sagte, dä mout sich net wäesche (der mochte sich nicht waschen), hatte das den einfachen Grund, das Wasser, vor allem in den langen Wintern war bitterkalt. Viele Pumpen gab es auch auf den Straßen. Manchmal hörte man: „Dä is jaeje dä Pumpeschwaengel gelope!“ (Der hat nicht alle Tassen im Schrank). Foto Werner Marx |
Damals gab es auf dem Büttgener Wald drei Löschbrunnen, einen bei Röttges Heinrich, sein Anwesen nannte man am Tömmermann (Zimmermann), einen bei Schmitz Peter, Kooshof und den dritten bei Lank Johann, wo früher eine Gerberei und Seifenfabrik waren. Auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen gab es nur Feldwege, die deutlich durch Karren-Spuren gezeichnet waren. Zu Fuß ging man auf dem Mittelstreifen, wo die Pferde liefen.
Eltern und Großeltern
Aus Anlass eines Besuches, zu seinen drei Geschwistern, die aus dem Saarland kommend, in Schiefbahn eine neue Heimat gefunden hatten, lernte mein Vater Aloys seine Sofia kennen und lieben. Meine Mutter wurde allgemein Kreutzer Schimmel genannt, sie hatte hellblondes Haar, dass sie mir vererbte. Kurz darauf wurde Hochzeit gefeiert. Im Jahre 1936 kam ich dann auf dem Bauernhof meiner Großeltern Johann und Helene Kreutzer zur Welt, Geburtsort Büttgen. Der Büttgener Wald war damals zwischen Korschenbroich und Büttgen aufgeteilt. Alle behördlichen Dinge mussten im Ort Büttgen erledigt werden, wozu man mit Pferd und Wagen hinfuhr. Fahrräder waren auf dem Hof nicht vorhanden..
Wir gehörten zur Pfarre St. Hubertus Schiefbahn, der Pfarrer hieß Bernhard Nicolini. Ich hatte einen weiten Weg zum Gottesdienst und zur Schule. Der Kindergarten lag in weiter Ferne, für mich als Kleinkind nicht erreichbar. Allerdings wurde die Post direkt aus Schiefbahn zugestellt.
Während des Krieges und danach kam der Bäcker Post aus Büttgen und belieferte uns mit Brot und Lebensmittel, die vorher bestellt waren. Direkt nach Kriegsende waren vor allem Butter und Eier eine Rarität. Wollte man zur einer Feier feine Kuchen haben, gab man sie dem Bäcker mit. Er wurde dann bei der Lieferung für seine Arbeit bezahlt.
Trotz Krieg – glückliche Kindertage
Die Gefahren des Krieges und die Folgen, waren uns Kindern kaum bewusst. Die Erwachsenen sprachen nicht darüber. Wir, und die Menschen auf den umliegenden Bauernhöfen hatten eine Insellage. Nur überfliegende Kampfflugzeuge und Nachtjäger, die am dunklen Himmel zu sehen waren, erregten meine Aufmerksamkeit. Die schweren Endkämpfe in Schiefbahn, beim Einmarsch der Amerikaner und die Evakuierung der Bewohner aus ihren Häusern, erfuhr ich erst in späteren Jahren.
Das Alltagsleben auf dem Bauernhof verwob sich mit unseren Tageserlebnissen. Der Bauer, mein Onkel Heinrich war im Kriegsdienst. Meine Tante Tina, meine Mutter und Oma Helene, mussten mit Hilfe von Kriegsgefangenen, die Landwirtschaft weiterführen. Inzwischen war auch mein Vater eingezogen worden. |
Unsere Zeit war gefüllt mit selbst erfundenen Spielen, wie es heute Kinder nur noch selten erleben. Der Krieg lag für uns in weiter Ferne, wir erlebten die Jahreszeiten in ihrer Natürlichkeit. Trotz allem, lag für mich ein Frieden über der Landschaft. Düfte von Heu und Getreide, die Geräusche aus Pferde-und Kuhstall alles ist noch in meinen Sinnen.
An sommerlichen Tagen liefen wir mit nackten Füßen über Feld und über Wiesen. Ansonsten wurden dann die Klompen (Holzschuhe) angezogen. Ohne eine Lederbespannung waren sie kaum zu tragen. Wenn wir ins Haus gingen, wurden die Klompen gegen die Hausschuhe getauscht. In Schiefbahn gab es zu dieser Zeit noch einen „Klompenmaeker“, Holzschuhmachers. Sie wurden landläufig auch Klotschen genannt. |
Ganz entscheidend war, dass ich mit Hilfe meiner Oma Plattdeutsch in Urform aufnahm. Meine abwesender Vater sprach nur Hochdeutsch und hätte das verhindert. Später, als ich in Schiefbahn in die Schule kam, hatte ich keine Schwierigkeiten, meine Schulkameraden kosse all Platt kalle, hatten aber erhebliche Probleme im Hochdeutschen.
Ich und die anderen Kinder auf dem Hof, bewegten sich frei und wurden nicht zur Mitarbeit angehalten. Einiges übernahm ich aber gerne, des abends holte ich allein die Kühe aus der Bende (Wiesengrund) vom Trietbach im Eschert nach Hause. Die Tiere wussten alleine, wo es entlang ging. Keiner hatte die Besorgnis, dass die Tiere mich auf die Hörner nehmen könnten. Ich fühlte mich froh und frei bei meiner Aufgabe. Wie auf dem Foto zu sehen, trugen die Tiere damals noch ihren Hornschmuck.
Meine Schwester Gisela war Omas beste Assistentin im Bauerngarten und war stolz, wenn sie ein Löbchen bekam.
Komm, put put put, Roswitha und Irene (meine Kusinen) mitten in der Hühnerschar Foto Werner Marx
Wir Kinder schliefen, alle auf dem Söller, auch das war „en Huort“ (ein Hort). Der Söller (Dachkammer) wurde des Abends mit einer Falltür verschlossen, bei Brandgefahr saßen wir in der Falle. Eine Toilette gab es nicht, hier war „de Neitpott“ (Nachttopf) die Wahl. Am Tag ging man über “der Steenweäsch“ (Steinweg) entlang des Kuhstalls zum „Driithüske“ (Plumpsklosett). In den Kammern gab es keine Heizung. Im Winter bekamen wir Kinder einen im Backofen vorgewärmten Ziegelstein ins Bett gelegt und an den Fenstern bildeten sich tolle Dekors aus Eisblumen.
Amerikanische Soldaten hatten unseren Bauernhof für Tage besetzt. Was mich verblüffte, wenn ein amerikanischer Soldaten zum „Hüske“ gehen musste, wurde er von einem zweiten, mit einem Gewehr bewaffnet, geschützt,
Aufbau des Heugestells, Foto aus dem Alten Brockhaus 1937 - Das Draufklettern machte Kindern großen Spaß, man durfte sich aber nicht dabei erwischen lassen. Foto Eduard Allwicher
Nach der Saegras-Mahd wurde das Heu auf die die „Harpfe“ gepackt. Diese waren mit einem Holzgestell wie eine Zelt gebaut und von uns Kindern auch als solche genutzt. Hier bekam ich den einzigen Verweis, an den ich mich erinnern kann. Wenn man in die Heu-Höhle eindrang, löste sich das Heu vom Gerüst und konnte nicht wieder aufgebracht werden. Für meinen Onkel Heinrich galt das als vorsätzliche Zerstörung.
Es war Abend und es wurde schon dunkel, da zog mich meine Tante Tina, die Bäuerin, verschwörerisch ans Fenster. Das Getreide auf dem Feld vor dem Haus stand in voller Reife. Ich musste mich auf die Zehenspitzen stellen. „Siehst du weit im Kornfeld, das blaue Licht?“ Tante ich sehe es nicht! „Du musst genau hinsehen, da wohnt die Kornmutter! Ich schaute eine ganze Weile angestrengt nach draußen. „Plötzlich rief ich, ja,ja,ja - weit dahinten kann ich das blaue Licht sehen!“ Die Tante war zufrieden mit ihrer Magie. Sie wollte mir Angst machen, ich sollte nicht ins Getreidefeld laufen.
Eines Tages fanden wir einen alten Regenschirm, mutig stieg ich mit einer langen Leiter als erster auf den Heuboden. Umsichtig hatte ich auf dem Landeplatz einen Strohballen gelegt. Oben angekommen, sprang ich mit einem kühnen Sprung in die Tiefe, unten standen die staunenden Zuschauer. Der Strohballen rutschte zur Seite und ich knallte mit dem Kopf an die Leiter. Schreiend lief ich aus der Scheune, schon kam mir meine Mutter mit dem großen Brotmesser entgegen. Vor Angst schrie ich noch lauter. Ich hatte nicht erkannt, dass meine Mutter nur die Fläche der Klinge auf die Beule legen wollte, um die Wunde zu kühlen. Danach verzichteten alle anderen, es mir nachzumachen.
Wenn es im Sommer länger regnete liefen die Karren-Spuren voll mit Wasser, wenn es wieder abtrocknete, hatte sich eine Knetmasse gebildet, von uns „Puspas“ genannt. Der Begriff steht im plattdeutschen für Pflaumen- oder Apfelkompott. Das Matschen in dieser Pampe machte uns riesigen Spaß. Wir wuschen uns danach nicht die Hände und ließen den Schlamm antrocknen, bis der Dreck absprang. Keine sagte uns, mach dich nicht schmutzig.
In der Winterzeit fror die Karren-Spur zu, und es bildete sich eine Eisschicht, wir warteten, bis sich eine Eisschicht gebildet hatte, und traten die Eisdecke krachend ein. Natürlich gab es auch nasse Füße, sei´s drum.
Im Sommer wollten wir unbedingt schwimmen lernen, die „Ongerbox“ war unsere Badehose Wir liefen zum naheliegenden Trietbach, wo sich eine Vertiefung gebildet hatte. Meine Mutter sah keine Gefahr, uns gehen zu lassen. Das Wasser in der Triet war gerade mal so tief, dass man mit dem Bauch über den Grund schabte. Erst Jahre später erfuhr ich, dass Mutters Bruder Josef, im Rhein ertrunken ist.
Einmal im Jahr kam der Metzger zu uns, um ein Schwein zu schlachten. Die Tötung selbst durften wir Kinder nicht sehen, aber alles was danach kam, haben wir erlebt. Viel später als ich älter war, hat mir meine Mutter erzählt, als Mädchen hätte sie unbedingt einen Metzger heiraten wollen, um täglich Schinkenwurst zu bekommen.
Restaurant Schauenburg, etwa um 1930, Stadtarchiv Willich – Der Ortseingang von Schiefbahn, ein Anblick wie vor 80 Jahren. Foto W.Marx
In den ersten beiden Schuljahren ging ich zu Fuß durch den Kaltenberg Hof (heute Faßbender) diagonal durch Feld und Wiese bis zum Gartenrestaurant von Willi Schauenburg, am Eschert 1. Ab hier ging ich über die Bahnschienen zum Dorfeingang, in die Bahnstraße (heute Linselles Straße) in das Dorf Schiefbahn. Auf der Höhe der Gaststätte zur Waage, hieß die Straße Auf´m Diek.
Schenkwirtschaft Heinrich Plum Stadtarchiv Willich Jochen Pulm, der Sohn Foto Werner Marx
Die Gaststätte zur Waage der Familie Heinz Pulm in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Heinz Pulm hatte eine Kriegsverletzung, ein Bein war amputiert. Vor dem Gebäude war eine Waage eingelassen, die zu jener Zeit auch benutzt wurde. Heute ist alles abgerissen und einer anderen Bebauung gewichen.
Schiefbahn 1955, eine Landschaft, die ich heute noch vermisse. Nach dem Krieg bekamen wir eine Wohnung bei Fritz und Marie Jetten, Auf´m Diek 51. Hier meine Eltern bei ihrem Sonntags Spaziergang. Rechts der lange Weg ins Bruch, der am Bresserhof am Nordkanal ankommt. Sonntags pilgerte die halbe Verwandtschaft mit zu Leo Schlösser zum Bresserhof. Am Eingang zum Restaurant hing ein samtener Vorhang als Windschutz. Links an der Wand hing ein eingerahmter Spruch „Freät dich satt, un suup dich dick, un halt de mull von Politik! Da hörte ich auch vom letzten Wolf, der vor hundert Jahren im Büttger Wald geschossen wurde. Heute ist er wieder in Deutschland angekommen. Im Büttger Wald bisher noch nicht!
Der Bresserhof, wie ich ihn noch in Erinnerung habe, Foto Stadtarchiv Willich - heute „Peking Garden“ Foto Werner Marx
Das vor dem Bresserhof und auch vor dem Restaurant von Willi Schauenburg, jeweils eine Tankstelle vorhanden war, habe ich von Marianne Schauenburg erfahren. Der Bresserhof heißt heute „Peking Garden“.
Die Familie Schlösser betrieb zuvor auch Landwirtschaft. Der Bauernhof war damals von der Familie Lambertz in Pacht. Als der Gärtner Pötschke 1949 aus Thüringen nach Kaarst an die Büttgener Straße kam, wurde der Bauernhof mit seinen Ländereien an Gärtnerei Pötschke verkauft, und die kinderreiche Familie Lambertz musste sich ein neues zu Hause suchen.
Erst aus Anlass der Gebietsreform am 1. Januar 1975, kam der Büttger Wald zu Schiefbahn
November 2024- Werner Marx